Neuerscheinungen

Jörn Sack

Inga Prodeck – Im Wahnwitz des Lebens

Dieser Text gibt sich als Autobiografie. Erklärt sie aber offen für fiktiv. Es schrieb sie ein Mann, der sich in Kopf und Seele einer Frau versetzte, die in vielem vielen Frauen ihrer Zeit glich. Ihre einzige Besonderheit: Sie war von Geburt so arm wie reizend. ‚Rheinfarben ihre Augen wie Sonnenlicht ihr Haar.‘
Nicht allein wegen ihrer Herkunft war Inga Raster, verwitwete Prodeck, kurzzeitig als Prodek verheiratet, verwitwete Hornung, eigentlich (ein seltsames Wort) nur wie fast alle Menschen Treibholz der Zeit, in der sie lebte. Insofern ist ihre Geschichte ein Stückchen Zeitgeschichte des vergangenen Jahrhunderts. Etwas besonders verlief ihr Leben schon, sonst würde es hier nicht von mir unter ihrem Namen erzählt.
Die Zeit, in die wir geboren werden, ist höchstes, blindes Schicksal, wohl noch blind schicksalhafter als der Ort, an dem wir in die Welt gelangen. Eigentlich (!), was in diesem Zusammenhang heißt von ihrer Natur her, war Inga das, was wir heute eine gänzlich unemanzipierte Frau nennen würden. Man kann deshalb mit Fug und Recht fragen, inwieweit an der Darstellung ihres Lebens heute ein Interesse besteht. Doch ob sie es suchte oder nicht, ob sie es wollte oder nicht, ob sie sich dessen bewusst wurde oder nicht, die Wirklichkeit (eines der schönsten deutschen Wörter) formte sie zu einer eigenständigen, wenngleich nie freien Persönlichkeit aus. (Aber: Was heißt – eigentlich – frei? Wer ist es?) Die Wirklichkeit, das waren neben den Zeitläuften eines Jahrhunderts in Deutschland für sie drei Männer – die auf die eine oder andere Art ihre Männer waren: ein nur wenig älterer hoher und fanatischer SS-Offizier; ein biederer, 20 Jahre älterer, wohlhabender Arzt; ein 15 Jahre jüngerer, eigentlich wider seinen Willen im Süßwarengeschäft sehr erfolgreicher Unternehmer, insgeheim eine Gelehrtennatur. Ingas Arbeitsstätten waren ein Postamt, ein Haushalt, ein Bordell, Arztpraxen, die sie reinigte, ein Haushalt, selbstgewählte Einsätze in Frankfurt als Bewährungshelferin und in Sierra Leone für Women’s Liberation, schließlich eine Tätigkeit als Repräsentantin in Accra und Abidjan für den genannten Unternehmer, ihren anhaltendsten, eigentlich immer fernen Geliebten. Er kam ihr erst nahe, als sie schon über 70 war. War ihr Leben nicht nur ausgefüllt, sondern das, was wir ein erfolgreiches nennen würden, weil sie eine Blendung und einen tiefen Sturz samt tiefer Erniedrigung ohne größeren seelischen Schaden überwunden, ihren vier Kindern Liebe gegeben und zweimal sehr heftige Liebe empfangen hat, schließlich Tätigkeiten von unbestreitbarer Verantwortung ausübte? Zu erlesen! Zu ermessen.

 

 

Jörn Sack

Katarina Topfschlag – Meine Arbeitsehe

Eine Frau, die nie an Liebe geglaubt hat, sondern nur ein geglücktes, arbeitsames Zusammenleben mit einem Partner suchte und fand, antwortet mit diesem Buch auf die Offenlegung einer
träumerisch-zarten, dabei über Jahrzehnte rein platonischen Liebesbeziehung, die eine andere, 15 Jahre ältere Frau, mit ihrem Mann unterhält, einem erfolgreichen, zugleich geistig beschlagenen Unternehmer. Die so öffentlich Herausgeforderte schreibt nun ebenfalls eine Autobiografie, bemerkt jedoch mit jedem weiteren Wort, dass sie zwar nicht anders kann, als
weiterzumachen, aber scheitern wird in dem Ziel, ihr ins Wanken geratenes Selbstbewusstsein vollauf wiederzuerlangen. Mehr als ihr eindimensionales Glück gegen die in den Liebenden dauerhaft und beglückend pochende Gefühlswelt zu behaupten, scheint ihr nicht zu gelingen. Erst als sie mit ihrem ‚Geschreibsel‘ fast am Ende ist, kommt ihr unerwartet eine Einsicht, die
sie zur Dritten im Liebesbund machen wird, wenn die beiden anderen mitspielen.
Nach Inga Prodeck ‚Im Wahnwitz des Lebens‘ ist dies ein weiterer Folgeband zu ‚Schalksknecht‘ von Jörn Sack. Wiederum gerät eine Nebenfigur zur Hauptfigur.

Jörn Sack

Schalksknecht

Eine Streitschrift zum Verlust der Orientierung auf einem richtigen Weg

Eine zerfledderte Reportage mit lyrischem Ein– und Abgesang sowie zahlreichen Zitaten und Einsprengseln verschiedenster Art und Unart zur Individual– und Kollektivgeschichte einiger unbedeutender deutscher Menschen des 19. und 20. Jahrhunderts.

Beginnend mit dem böhmischen Flickschuster und Scherenschleifer Jan Wenzel Podrek, der ein Luckenwalder Dienstmädchen heiratet, treibt eine Abfolge von Menschen auf der Suche nach Lebensertrag durch die deutsche Geschichte von 1848 bis 2000.
Paul und Charlotte Prodek, die Hauptfiguren dieses romanesken Wortfrieses, bauen ihr Glück wissentlich auf dem Verderben eines anderen Menschen auf. Sie behaupten ihr Wohlergehen und Glücklichsein dank ihrer individuellen Vernunft lange Zeit gegen die kollektive Unvernunft des Landes. Die eigene Schuld macht Paul nicht nachsichtig gegenüber fremder Schuld.
Seine Vernunft bewahrt Ihn trotz Sträubens weder vor dem Mitmachen im kollektiven Wahn noch vor privater Rachsucht. Das grauenvolle Ende des Paares beim Vormarsch der Russen auf Berlin 1945 ist kein Scheitern, weil sie es suchen. Sie wollen sich über Chaos und Elend erheben, indem sie sich ihm ausliefern, statt zu fliehen. Ihre Nachkommen erleben bessere Tage, einige große berufliche Erfolge, aber ihr Leben bleibt vergleichsweise blass. Die Sprach-, Text- und Szenengemenge, der Zeitverschnitt der Handlung entsprechen den Verwirbelungen von Unheil, Glück, Verdienst, Schuld und Hilflosigkeit in der Lebenswirklichkeit der auftretenden Personen.

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